Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 21. Juni dieses Jahres hat der Kämmerer in einem Interview mit der Abendzeitung gesagt „Der Stadt geht das Geld aus – München muss sparen!“ Das ist jetzt ziemlich genau ein halbes Jahr her. Die wirtschaftliche Lage im Land hat sich seitdem nochmal massiv verschlechtert.
Fast täglich hören wir Hiobsbotschaften von Firmen und Konzernen, die drastische Sparmaßnahmen ankündigen, Gewinnwarnungen rausgeben, Gehälter kürzen, Tausende Stellen streichen müssen. Für das kommende Jahr planen vier von zehn Firmen in Deutschland Stellenkürzungen!
Wir können froh sein, dass wir in München BMW haben und nicht VW – die sparen aktuell nur an den Boni und am Weihnachtsgeld, nicht an den Personalstellen. Und trotzdem sind wir davon akut und ganz konkret betroffen: wenn BMW nämlich keine Gewerbesteuer mehr zahlt, dann hat München ein Problem. Dann ist auf einmal kein Geld mehr da für grüne Radlwege, für Laufräder zum Ausleihen, klimaneutrale Kochkurse oder andere Sparifankerl. Ganz zu schweigen von unserem riesigen Investitionsstau beim ÖPNV, bei Straßen, Brücken und was sonst noch alles marode ist.
Das ist kein Horrorszenario und auch kein Worst case, den man sich theoretisch ausmalen kann, in dem sicheren Gefühl, dass er nie eintreten wird – sondern das ist die Realität, das gilt für heute und für die ganz nahe Zukunft. Die Zukunft dieser Stadt! Die wirtschaftliche Lage in München ist so düster wie schon lange nicht mehr, und sie wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Wir schlittern nur ganz knapp an einem Haushalt vorbei, der nicht genehmigungsfähig ist. Unser finanzielles Polster beträgt gerade einmal 30 Millionen Euro – das sind bei einem Haushaltsvolumen von über neun Milliarden nicht einmal Peanuts!
Die Luft ist so dünn – wenn nur ein Posten aus dem Ruder läuft, eine Baustelle teurer wird als geplant, dann haben wir die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde im Nacken sitzen.
Die wirtschaftliche Situation im Land und in der Welt ist aktuell sehr schwierig, es gibt viele Herausforderungen, die wir so in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht hatten. Das haben wir uns nicht ausgesucht, aber mit den Folgen müssen wir klarkommen. Das betrifft aber hauptsächlich die Einnahmenseite des städtischen Haushalts.
Wo wir mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum haben, das ist die Ausgabenseite! Angesichts der dramatischen Entwicklungen auf der Einnahmenseite müssten wir mit drastischen Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite reagieren. Wir müssten uns auf das absolut notwendige beschränken, freiwillige Zusatzleistungen auf ein Minimum runterfahren und bei jedem Euro, den wir ausgeben, die Folgekosten bedenken. Leider ist davon noch nichts zu bemerken – bei der Regierungsmehrheit ist noch nicht durchgesickert, dass die fetten Jahre vorbei sind!
Auch wenn manche hier im Saal noch so fest die Augen vor der Realität verschließen, es wird nichts nützen.
Um im Bild zu bleiben: ein „dicker Brocken“ auf der Ausgabenseite des städtischen Haushalts sind natürlich die Personalkosten, sie machen ein knappes Drittel der Ausgaben aus, den größten Posten im Haushalt. Die Personalkosten sind in den letzten zehn Jahren um gut eine Milliarde Euro gestiegen – etwa die Hälfte davon ging in die Schaffung neuer Stellen, die andere Hälfte in Tarifsteigerungen und Gehaltserhöhungen.
Und an dieser Stelle gleich ein großes Lob an den Personalreferenten und seine Mitarbeiter: Die Richtung, die Sie in der Personalpolitik in den letzten Jahren eingeschlagen haben, war genau richtig. Die Lohnerhöhungen und Höhergruppierungen waren wichtig und richtig, damit die Landeshauptstadt München gutes und qualifiziertes Personal bekommt. Gute Arbeit soll auch gut bezahlt werden und unsere städtischen Mitarbeiter müssen sich das Leben in München auch leisten können, um hier gute Arbeit zu leisten. Noch dazu sind die Stellenbesetzungsverfahren deutlich schneller geworden! Um 35 Prozent, das ist eine wirklich erfreuliche Entwicklung.
An dieser Stelle möchte ich auch mal mit einem Mythos aufräumen: Die Arbeit im öffentlichen Dienst wird nicht mit Hungerlöhnen bezahlt! Wir haben keine – wie der Personalreferent so schön formuliert – „prekären Arbeitsverhältnisse“! Und das ist auch gut so. Da darf man als Arbeitgeber durchaus selbstbewusst auftreten, wir müssen uns mit den Löhnen und Gehältern unserer städtischen Mitarbeiter nicht verstecken.
Für völlig überzogen halte ich angesichts der aktuellen Lage allerdings die Forderungen der Gewerkschaft in der laufenden Tarifrunde. Das Ergebnis ist noch nicht abzusehen – aber bei Forderungen von acht Prozent mehr Gehalt, mindestens 350 € mehr pro Monat und dazu noch drei zusätzlichen Urlaubstagen, da hört mein Verständnis wirklich auf!
Die Stadtratsmehrheit hat sich bequem eingerichtet im wohligen Wir-können-uns-alles-leisten-Gefühl der letzten Jahre. Vieles davon ging aber zu Lasten der Substanz!
Doch anstatt wieder mehr Leistungsbewusstsein und Leistungsbereitschaft an den Tag zu legen, schwadronieren viele hier immer noch von Work-Life-Balance und träumen von der Vier-Tage-Woche! Wie das bewerkstelligt und vor allem finanziert werden soll, das sagen sie allerdings nicht. Und ich frage mich: In welchem Wolkenkuckucksheim leben Sie denn? Hier muss sich die Mentalität dringend ändern, wenn wir nicht vollkommen abgehängt werden wollen. Bis auf wenige Ausnahmen ist nämlich nicht unser Problem, dass wir zu viel arbeiten. Keine andere Industrienation arbeitet so wenig wie Deutschland!
Gerade mal 1.341 Stunden haben deutsche Arbeitnehmer pro Person im Jahr 2022 geleistet. Der Durchschnitt aller Industrienationen der OECD liegt bei 1.752 Stunden. Umgerechnet heißt das, im Schnitt arbeitet jeder Deutsche zehn Wochen pro Jahr weniger als Arbeitnehmer in anderen Ländern. Das muss man sich erst mal leisten können!
Dass unsere Mitarbeiter auskömmlich bezahlt werden, sieht man auch daran, dass nach jeder Tarifrunde – also nach jeder Gehaltserhöhung – die Teilzeitquote steigt. Immer mehr Menschen können es sich also leisten, weniger zu arbeiten. Wir haben eine Teilzeitquote von 37,4 Prozent, Tendenz steigend. Hier liegt ein großes Potenzial für mehr Arbeitskraft. In den kommenden Jahren, wenn die Boomer-Generation in Rente geht, werden wir dieses Potenzial besser ausschöpfen müssen.
In einer Stadt, die wächst, wachsen auch die Aufgaben für die Stadtverwaltung. Und dafür braucht es an etlichen Stellen zusätzliches Personal. Der Stadtrat hat dafür in den vergangenen Jahren – also nicht nur mit einer grün-roten Mehrheit, sondern auch schon unter Schwarz-Rot in der vergangenen Wahlperiode und sogar – manche im Saal mögen sich noch daran erinnern – als die SPD noch stärkste Fraktion war, viele neue Personalstellen geschaffen. Die Frage ist allerdings, ob es immer die richtigen Stellen waren. Was die Stadt, ihre Verwaltung und die städtischen Tochterunternehmen brauchen, damit die Stadt funktioniert, das heißt, damit Schulen gebaut, zeitgemäß ausgestattet und unterhalten werden, damit U-Bahnen und Busse pünktlich fahren, die Linien ausgebaut werden, wo es Bedarf gibt, dass es genügend Pflegepersonal in städtischen Heimen und Krankenhäusern gibt, damit im öffentlichen Raum Sicherheit und Ordnung gewährleistet sind, damit unsere Straßen gereinigt und unsere Mülltonnen geleert werden und nötige Behördengänge so schnell und reibungslos wie möglich ablaufen können – was wir dazu an Stellen und an Berufen brauchen, das versteht sich eigentlich von selbst: Bauingenieure und Planer, Lehrer, Busfahrer, Krankenpfleger, Elektriker, Sozialarbeiter, Müllmänner, Sicherheitskräfte und so weiter.
Was der Stadtrat aber stattdessen allein in den vergangenen Monaten an Stellen geschaffen und ausgeschrieben hat, ist etwas ganz anderes.
Ich greife willkürlich nur ein paar wenige Stellen raus mit besonders klangvollen Titeln:
• Projektmanager Mission Klimaneutralität
• Pädagogische Mitarbeiter für diskriminierungskritische Bildung
• Mobilitätsplaner für die strategische Fußverkehrsplanung
• Wissenschaftliche Mitarbeiter in der Fachstelle für Demokratie für Radikalisierung
• Mitarbeiter im Bereich Community Building bei den Kammerspielen
• Einen Reisebüromanager für Dienstreisen im Mobilitätsreferat
• Einen wissenschaftlichen Mitarbeiter intersektionale Diskriminierungsarbeit
• Mitarbeiter für die fachliche Betreuung bei der Schaffung von Schutzgebieten im Klimareferat
• Projektmanager für Shared Mobility
• Seminarentwickler für hauswirtschaftliches Personal
• Einen Koordinator Einwohnerbudget
• Einen Verwaltungskoordinator für Circular Economy
• Einen Mobilitätsplaner mit Schwerpunkt Elektromobilität
• Veranstaltungsmanager im Stadtmuseum Schwerpunkt Figurentheater
• Pädagogische Mitarbeiter für den Bereich Genderpädagogik Mädchenförderung
• Pädagogische Mitarbeiter für den Bereich Genderpädagogik Jungenförderung
• Projektmanager für smarte, emissionsfreie Mobilitäts- und Logistiklösungen
• Kurator für Diskurs und Outreach am Lenbachhaus
Meine Haushaltsrede sollte kein satirischer Jahresrückblick werden, aber angesichts dieser Auflistung fällt es schon etwas schwer, da sachlich zu bleiben. Garniert waren alle diese wunderbaren Titel selbstverständlich noch mit zahllosen Sternderln und „Innen“, damit es vollkommen kryptisch wird.
Aber um wieder ernst zu werden: Überlegen wir uns mal für einen Moment, was in unserer Stadt los wäre, wenn alle Müllmänner und Krankenschwestern in München drei Wochen lang nicht arbeiten würden. Und dann stellen wir uns vor, dass Genderbeauftragte und Projekt-koordinatoren für Fußgängerverkehr drei Wochen ihren Job nicht machen – geht dann deswegen keiner mehr zu Fuß? Vielleicht sollten wir uns diesen Gedanken vor Augen halten, wenn wir im Stadtrat das nächste Mal neue Stellen beschließen.
Ich wollte ja das Personalreferat loben: Der Schritt, dass wir jetzt 1.150 unbesetzte Stellen abbauen, ist genau richtig. Was ich seit zehn Jahren predige, wird jetzt teilweise endlich umgesetzt. Aber das geht nicht weit genug! In wirtschaftlich schlechten Zeiten fallen uns die seit Jahren unbesetzten Stellen auf die Füße! Im Vergleich zur freien Wirtschaft, die massiv Stellen abbaut, werden in diesen Zeiten die sicheren Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst ungemein attraktiv und die Bewerber „rennen uns die Türen ein“. Und dann sind ganz schnell die unbesetzten Stellen nicht mehr irrelevant, weil sie ja nichts kosten – sondern dann wird es ganz schnell teuer. Und das können wir uns spätestens jetzt nicht mehr leisten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mehr Stellen einsparen – zwei Prozent pro Jahr wären sinnvoll und könnten sich durch Ruhestandsversetzungen ergeben, ganz ohne dass es „weh tut“. Mit konsequenter und gut gemachter Digitalisierung könnte der Arbeitsanfall aufgefangen werden.
Ich habe letztes Jahr in meiner Haushaltsrede schon als Beispiel die Beantragung bzw. Bewilligung von Wohngeld genannt – das könnte und sollte eigentlich ganz automatisiert und ohne Personaleinsatz funktionieren. Bisher tut es das noch nicht. Ein wunderbares Beispiel für funktionierende Digitalisierung und damit verbundene Einsparungen ist dagegen der Fahrtkostenzuschuss für die städtischen Mitarbeiter, also für das 49 €-Ticket. Vorher waren mit dem Thema über alle Referate hinweg 250 Köpfe beschäftigt – durch Digitalisierung haben jetzt nur noch eine Handvoll Mitarbeiter im POR damit zu tun. Von 250 auf ungefähr 2,5 – was für ein riesiges Einsparpotenzial, ohne dass sich am Ergebnis für die Mitarbeiter etwas ändert!
Apropos 49 €-Ticket: Ab Januar wird ja ein 58 €-Ticket daraus. Dass wir als Arbeitgeber diese Preissteigerung für unsere Mitarbeiter nicht komplett übernehmen, ist absolut richtig. Damit leisten die städtischen Mitarbeiter einen kleinen Beitrag zu den nötigen Sparmaßnahmen. So ein Minimum an „Zumutung“ muss möglich sein. Für den Stadthaushalt bedeutet das immerhin 2,7 Millionen € pro Jahr, die gespart werden.
Insgesamt wird aber noch viel zu wenig gespart. Ich habe es schon öfter erklärt: Weniger mehr ausgeben ist nicht sparen! Wenn ein Referat zwei Millionen Euro beantragt und dann vom Stadtrat „nur“ eine Million genehmigt bekommt, dann wird da nichts gespart. Es sind dann immer noch eine Million Euro Mehrausgaben.
Nachdem die guten Vorsätze vom letzten Jahr, sparsamer mit den uns anvertrauten Steuergeldern umzugehen, weniger zu konsumieren und stattdessen sinnvoller zu investieren – nachdem diese guten Vorsätze noch völlig unverbraucht sind, nehmen wir sie fürs kommende Jahr einfach nochmal her!
Ich möchte zum Schluss noch ein bissl Weihnachtsfrieden verbreiten. Trotz der dramatischen wirtschaftlichen Lage, in der wir uns befinden und die wir endlich wirklich ernst nehmen müssen: Die Stadt München ist und bleibt ein guter und zuverlässiger Arbeitgeber! Die Sparmaßnahmen, die wir ergreifen müssen, werden nicht auf dem Rücken unserer Mitarbeiter ausgetragen! Niemand muss bei der Stadt um seinen Arbeitsplatz fürchten. Unsere Mitarbeiter haben im vergangenen Jahr – teilweise unter schwierigen Bedingungen – wieder einen guten Job gemacht, um unsere Stadt am Laufen zu halten. Und dafür gilt ihnen unser Dank!
Den Mitarbeitern in den Referaten, in unseren Fraktionen, aber auch in den Eigenbetrieben: Herzlichen Dank, dass Sie sich jeden Tag für München einsetzen! Bleiben Sie uns auch 2025 erhalten – und hoffentlich mit Freude und Zufriedenheit an der Arbeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie sich die guten Vorsätze diesmal wirklich zu Herzen – um mit Karl Valentin zu sprechen „damit es nicht so schlimm wird, wie es schon ist“!
Jetzt wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten, erholsame Feiertage und dass wir uns wohlbehalten im neuen Jahr wiedersehen.
Vielen Dank fürs Zuhören!